Das Thema #FridaysforFuture ist sicher kein Thema von “Schülerstreiks” oder “Schule schwänzen”. Es geht um Wichtigeres. Daher kann und darf man das Thema nicht auf diese Fragen beschränken. Und doch: Als Stadtschulpflegschaft müssen wir uns auf die schulische Seite reduzieren. Aber “Schule” ist ein weites Feld…
Unsere Kinder machen von einem Recht gebrauch, dass Ihnen Versammlungsfreiheit garantiert (GG Art. 8). Auch ihre Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz verankert (GG Art. 5). Gleichzeitig verstoßen die Schülerinnen und Schüler – falls die Aktionen nicht in der Freizeit oder spontan stattfinden – gegen ein anderes Gesetz: Das Schulgesetz NRW (§34ff befasst sich mit der Schulpflicht). Hier sind auch die Pflichten der Eltern definiert: “Sie sind dafür verantwortlich, dass es [das schulpflichtige Kind, Anm. der SSP] am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt,…” (§41 Abs. 1, SchulG NRW) und “Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter sind verpflichtet, Schulpflichtige, die ihre Schulpflicht nicht erfüllen, zum regelmäßigen Schulbesuch anzuhalten und auf die Eltern … einzuwirken.” So weit so gut und rechtens.
Gleichzeitig muss aber das Bildungsziel von Schulen betrachtet werden. Und da findet sich in §2 des SchulG NRW, “Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule”, der Absatz 2: “Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung. Die Jugend soll erzogen werden im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung.” [Hervorhebungen durch uns]
Betrachet man die Argumente und Ziele der FridaysforFuture-Bewegung, finden sich dort viele der Aspekte, die eine Rolle spielen im unmittelbaren Bildungsauftrag von Schulen! Schulen sollten also – ganz offiziell in Erfüllung ihrer Bildungsziele – das Engagement der Schülerinnen und Schüler aufgreifen, ihr Verständnis von demokratischen und rechtlichen Strukturen unterstützen und ihnen helfen, sowohl ihre Rechte zu nutzen, als auch Gesetze und gesellschaftliche Regeln zu erkennen und einzuhalten. In Abs.4 von §2 des SchulG steht, um was es wirklich geht: “Die Schule vermittelt die … erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen und berücksichtigt dabei die individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Sie fördert die Entfaltung der Person, die Selbstständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl, die Natur und die Umwelt. Schülerinnen und Schüler werden befähigt, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten.”
Wer also auf die Frage “Wann endlich wird etwas getan, damit wir – die Jugendlichen – eine lebenswerte Zukunft haben?” mit dem Satz antwortet “Macht, was ihr wollt, aber außerhalb der Schule (ihr habt Schulpflicht)”, der hat den Bildungsauftrag von Schule nicht verstanden! Ja, “Schule schwänzen” ist nicht zulässig. Aber wegen der Schulpflicht auf die Wahrnehmung seiner Grundrechte und den Bildungsauftrag von Schule zu verzichten ganz bestimmt auch nicht.
Wir Eltern wünschen uns, dass Schulen ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag ernst nehmen und die – absolut berechtigten – Interessen ihrer Schülerinnen und Schüler ernst nehmen. Sie sollen ihnen beibringen, wie Kompromisse gefunden werden können. Ermächtigen Sie unsere Kinder und Jugendlichen zur “Selbstständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen” UND zur Einhaltung von gesellschaftlichen Regeln und Gesetzen. Greifen Sie in den Schulen die Themen auf, integrieren Sie sie in die Arbeit der Schule – die natürlich auch die Teilnahme an einer Freitagsdemo zur “Schulveranstaltung” machen kann. Man kann alternativ – evtl. klassenweise? – die Schülerinnen und Schüler vom Unterricht für einzelne Veranstaltungen beurlauben (dann z.B. verschiedene Klassen an unterschiedlichen Tagen?). Wenn die Schule das ganze Thema aufgreift und es in der Schule bearbeitet wird, ist es um so besser. Für so etwas MUSS es Zeiten und Freiräume in den Schulen geben, sonst kann der Bildungsauftrag nicht erfüllt werden. Beschließen Sie in den Schulkonferenzen (wo auch wir Eltern unsere Mitwirkung entfalten müssen) doch einfach, dass die Schule die Themen unserer Kinder als “Schulthema” aufgreift und unterstützen Sie unsere Kinder in ihrem die Welt hoffentlich endlich verändernden, verantwortungsbewussten Handeln – auch und gerade rund um die Themen der #FridaysforFuture-Bewegung.
Und falls einige Schülerinnen und Schüler wegen solcher Ziele ohne Beurlaubung dem Unterricht fernbleiben, gehen wir den vorgegebenen Weg, gemeinsam mit Schulen, Schülerinnen/Schülern und uns Eltern unsere Kinder zu ermächtigen, Verantwortung für sich zu übernehmen: Sowohl für die Gesellschaft, als auch für die Regeln und Gesetze (hier die Schulpflicht). “Halten wir unsere Kinder” gemeinsam “zum regelmäßigen Schulbesuch an”, wie es das Gesetz (und die Vernunft) fordert. Die meisten Ordnungsmaßnahmen “können” durchgeführt werden – müssen aber nicht. Die Zahl der Fehlstunden und fehlender Lerninhalte ist zu beachten und darf nicht mit diesem Thema für unbedeutsam erklärt werden. Aber das höhere Gut ist, dass wir in unseren Kindern und Jugendlichen den Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen. Und der Anspruch ist hoch – sehr hoch. Aktionen außerhalb der Schulzeit sind unbedingt empfehlenswert! Aktionen innerhalb der Schulzeit sollten von den Schulen aufgegriffen und zum Schulthema gemacht werden, damit unsere Kinder auch darin ihre Schulpflicht erfüllen UND Schule ihren Bildungsauftrag! Wir fordern Sie alle auf kreativ zu werden und die Lösung für diese Probleme gemeinsam in Ihrer Schule zu suchen!
Mit-Wirkung ist ein starkes, gesetzlich verankertes Recht – nutzen Sie es, liebe Schülerinnen/Schüler und Eltern!
Für den Vorstand der Stadtschulpflegschaft Bonn
Andreas Beutgen (Vorsitzender)
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Wer sich zu diesem Thema mit der Rechtslage weiter auseinandersetzen will: Der Kölner Anwalt Christian Solmecke hat in einem Video das rechtliche für und wider erklärt. Das Video finden Sie unter https://www.youtube.com/watch?v=WCl6hYuSyAw